In dieser Woche fanden in Istanbul die ersten direkten Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine seit 2022 statt. Die Erwartungen waren gering. Unter der Vermittlung der Türkei kamen Delegationen beider Länder zusammen, um über eine mögliche Beendigung des langanhaltenden Konflikts zu verhandeln. Ein konkretes Ergebnis war die Einigung auf den Austausch von jeweils 1.000 Kriegsgefangenen – der bislang größte Gefangenenaustausch seit Beginn des Krieges.
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In der Süddeutschen schreibt Andrew Chakhoyan, die Verhandlungen in Istanbul waren keine Verhandlungen, sondern eine Provokation. “Russland lügt, die ganze Zeit. Und Europa macht sich selbst etwas vor”. Der Westen hat seine Druckmittel auf Russland noch lange nicht ausgeschöpft.

Eine gekürzte Fassung des Beitrages ist in englischer Sprache (ohne Zahlschranke) beim Kyiv Independent abrufbar.
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Das unabhängige Nachrichtenportal Meduza berichtet, wie der Kreml schon im Vorfeld russische Staatsmedien anweist, die Öffentlichkeit auf einen Misserfolg der Friedensgespräche in Istanbul vorbereitet.
Laut internen Informationen hat das innenpolitische Team des Kremls den Medien nahegelegt, die Verhandlungen als von Moskau initiiert darzustellen und jeglichen Einfluss von US-Präsident Donald Trump oder dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu negieren. Die Rückkehr von Wladimir Medinski, der bereits 2022 die russische Delegation leitete, soll als Zeichen der Kontinuität betont werden.
Die Anweisungen enthalten keine Details zur Verhandlungsposition Russlands oder zu möglichen Ergebnissen. Stattdessen sollen die Medien hervorheben, dass sich die Lage für die Ukraine seit den letzten Gesprächen 2022 verschlechtert habe, ohne spezifische Gründe zu nennen. Zudem wird betont, dass Russland trotz möglicher neuer westlicher Sanktionen wirtschaftlich stabil bleibe und insbesondere der Energiesektor weiterhin wachse.
Die Zusammensetzung der russischen Delegation, bestehend aus hochrangigen Vertretern wie dem stellvertretenden Außenminister Michail Galusin und dem GRU-Chef Igor Kostjukow, deutet laut einem kremlnahen Strategen darauf hin, dass ein Scheitern der Gespräche wahrscheinlich sei. Dies erkläre auch, warum die Medien bereits im Vorfeld auf ein negatives Ergebnis eingestimmt würden.
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Der Economist hebt hervor, dass die Uneinigkeit zwischen den westlichen Verbündeten – insbesondere zwischen den USA und Europa – die Verhandlungsposition der Ukraine schwächt und Putin in die Hände spielt. Die bevorstehenden Gespräche in Istanbul werden als entscheidender Test für die internationale Diplomatie gesehen.

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Trotz des symbolischen Erfolgs des Gefangenenaustauschs bleibt die Hoffnung auf eine baldige Deeskalation gering, schreibt die ZEIT. Russland setzt seine militärischen Operationen fort, während die Ukraine weiterhin auf internationale Unterstützung und diplomatische Lösungen hofft. „Das Chaos bei den Gesprächen zeigt: Der militärische Stillstand an der Front in der Ukraine hat die politische Ebene erreicht. Und weder Russland noch die Ukraine noch die USA noch Europa haben derzeit eine Friedenslösung anzubieten, die realistisch erscheint.“
In einem späteren Resümee in der Zeit schreiben Maxim Kireev und Olivia Kortas:
Damit wird Russlands Taktik noch einmal deutlich. Hinter verschlossenen Türen droht Putin der Ukraine mit einem ewigen Krieg. Und fordert das Land auf, besser jetzt seine Bedingungen zu akzeptieren, als später mit noch mehr Begehrlichkeiten konfrontiert zu werden. Nach außen dringt aber ein etwas anderes Bild.
Auch Gustav Gressel hat sich zu den Gesprächen in Istanbul geäußert.
Last Updated on 17. May 2025 by Lupo
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