Einen Tag nach der überraschenden Freilassung im Rahmen des Geiselaustausches gaben die russische Oppositionelle Vladimir Kara-Mursa, Andrei Piwowarow und Ilja Jaschin eine Pressekonferenz in den Räumlichkeiten der Deutschen Welle in Köln.
Die Pressekonferenz dauerte fast 1,5 Stunden, in denen die Ukraine und der von Russland entfesselte Krieg genau einmal vorkamen. Geblieben sind die Forderungen, die Sanktionen gegen die einfachen russischen Bürger aufzuheben und Verhandlungen mit Russland unter Preisgabe besetzter Territorien durch die Ukraine aufzunehmen. Das hat vielfach für Widerspruch gesorgt.
Die auch auf der Pressekonferenz der “Oppositionellen” geäußerte Ansicht, der russische Angriffskrieg gegen das Nachbarland sei ein Geschäft Vladimir Putins, mit dem die normalen Russen nichts zu schaffen hätten, ist nachweislich falsch. Das zeigen schon die Daten des unabhängigen Levada-Instituts, wonach immer noch eine deutliche Mehrheit hinter Putin und dem Krieg steht.
Einen Tag vor dem “Gefangenenaustausch” hat der ukrainische Autor und Essayist Juri Andruchowytsch einen Warnruf in der FAZ veröffentlicht.
In seinem Gastbeitrag räumt er klar mit der Behauptung von “Putins Krieg” auf. Der Krieg ist nicht Putins Schuld und das die Erzählung vom guten Volk, das dieser Verbrecher zur Geisel genommen hat, ist ein Märchen. “Wenn Ihr Euch loslöst, dann bring ich Euch um”, warf dem Ukrainer 1992 im Wohnheim in Moskau ein – meistens betrunkener – russischer Stabsfeldwebel aus Sacharlin entgegen.
Tatsächlich ist er es, Baljuk, Walerij Georgijewitsch, der für den künftigen, ihm damals unbekannten Putin das politische Programm schuf. Putin führt es nur aus. Sein Volk bestellt – und er führt aus. Man hat ihn erwartet und gewollt, gewählt und wiedergewählt. Erst vor Kurzem wieder wiedergewählt. Und wird ihn ewig wählen. Es gibt in Russland eine unveränderliche Nachfrage nach ihm, denn er ist ein eifriger, hingebungsvoller, erbitterter und – was besonders geschätzt wird – besessener Exekutor.
Die Folgen eines russischen Sieges in der Ukraine werden katastrophal werden, prophezeit Andruchowytsch.
Natürlich wird der Sieg Russlands zur globalen Katastrophe. Aber er wird vor allem ein schändliches und schreckliches Gleichnis dafür sein, wie das Böse, das objektiv keine Chance auf Sieg hatte, diesen nur deshalb errang, weil es dem Guten an Mut mangelte, sich zu rüsten.
Die “Moscoviada” sieht ihr Autor als eine Art Vorhersage der politischen und kulturellen Spannungen, die bis heute bestehen. Andruchowytsch betont, dass der russische Staat seit Jahrhunderten durch Tyrannei gekennzeichnet ist, und diese “verdammte Aktualität” des Romans zeigt, dass sich wenig geändert hat.
Ein paar einfache Dinge sollte man im Kopf behalten. Wenn Sie keine Eskalation wollen, so hören Sie auf, sie zu fürchten. Wenn Sie Angst haben, denjenigen zu „provozieren“, der nichts anderes tut als Sie zu provozieren, dann ermutigen Sie ihn zum Weitermachen. Wenn Sie versuchen, Risiken zu vermeiden, dann gehen Sie voll ins Risiko, denn Sie demonstrieren Schwäche. Das ist, wenn man mit Russland zu tun hat, kategorisch verboten. Russland wird nie einen Starken schlagen. Einen Schwachen zu schlagen versäumt es jedoch nie.
Andruchwytsch warnt eindringlich, noch nie sei “eine Utopie Wirklichkeit geworden. Jede einzelne Dystopie hingegen schon”.
Last Updated on 11. August 2024 by Lupo
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