Im Rahmen des 25. Internationalen Literaturfestivals luden PEN Berlin, PEN Ukraine und das Ukrainische Institut zu einem Solidaritätsabend in das Haus der Berliner Festspiele. Gewidmet war die Veranstaltung der ukrainischen Schriftstellerin Wiktorija Amelina, die 2023 bei einem russischen Raketenangriff auf eine Pizzeria in Dnipro getötet wurde. Ihre Texte wurden von Schauspielerin Maren Eggert eindringlich vorgetragen.

Den Auftakt machte Deniz Yücel, Vorsitzender von PEN Berlin. Mit scharfen Worten stellte er klar: „Nein, wir sind nicht neutral.“ Im russischen Angriffskrieg, so Yücel, „stehen wir an der Seite der Ukraine und unseren ukrainischen Kollegen“. Dabei setzte er sich auch kritisch mit der in der deutschen Nachkriegsliteratur verankerten Friedensidee auseinander. Wolfgang Borcherts berühmtes Antikriegsgedicht „Sag nein“ würdigte er zwar im historischen Kontext, wies es jedoch für die Gegenwart entschieden zurück:
„Es bleibt eine zivilisatorische Großtat, dass die Männer aus Smolensk oder Charkiw, die Auschwitz, und die Männer aus New York oder Alabama, die Buchenwald befreit haben, eben nicht Borcherts Aufforderung folgend ›Nein‹ gesagt, sondern unter größten Opfern die ›sinnreich erdachten Wohnungen des Todes‹ (Sachs) geschlossen und diesem ›Meister aus Deutschland‹ (Celan) mit Waffengewalt das Handwerk gelegt haben.“

In einer ersten Gesprächsrunde schilderten die Journalisten Paul Ronzheimer und Vassily Gollot ihre Erfahrungen aus der Ukraine. Sie berichteten von der Zermürbungstaktik Russlands und der Gefahr einer wachsenden Resignation. Gollot fasste es so:

„Und viele Menschen in Deutschland verfolgen das und haben auch, glaube ich, beim Verfolgen ein Gefühl der Resignation, weil sie denken, das darf nicht passieren, das ist Unrecht. Und stellt sich dann immer wieder die Frage, aber wie kann das denn sein? Kann Russland wirklich so böse sein? Und viele Menschen beantworten sich das dann so, dass sie auf Menschen hören. Wir haben ja einige Namen von Populisten auch gehört, die denen sagen, ja, das hat ja alles eine Vorgeschichte und das hat ja irgendwie Gründe, dass Russland das tut. Und ich finde, wir müssen einmal kurz alle durchatmen und uns vergegenwärtigen, was, diese Menschen da sagen, es kann keine Gründe geben, einen Angriffskrieg zu beginnen, es kann keine Gründe geben, mit Raketen Zivilisten zu töten“
Eine zweite Runde vereinte die Schriftsteller Yevgeniy Breyger, Tanja Maljartschuk und Katja Petrowskaja. Alle drei rangen mit der Frage, welche Aufgabe Literatur im Krieg noch habe. Petrowskaja brachte die Verzweiflung auf den Punkt: Was sie schreibe, seien Nachrufe auf ihre getöteten Kollegen.

Den Schlusspunkt setzte Volodymyr Yermolenko, Vorsitzender des ukrainischen PEN-Clubs, mit seiner ersten Rede auf Deutsch. Er berichtete von Geisterdörfern, vom Verschwinden der Menschen und führte über Hannah Arendts Begriff des radikalen Bösen zu Putin:
Das Böse wird selbstsicher, wenn es sich wiederholt. Wenn auf ein Verbrechen keine Strafe folgt. Dann beginnt es allen zu beweisen, dass seine Verbrechen in Wahrheit Strafen für die Verbrechen anderer seien. Es will uns überzeugen, dass die Opfer Täter und die Täter Opfer sind. Es will sein Verbrechen als höchste Gerechtigkeit verstanden wissen.
Putins Russland führt nicht nur Krieg gegen die Ukraine. Es führt Krieg gegen die Realität. Es führt Krieg gegen die Gerechtigkeit. Es führt Krieg gegen eine Welt, in der die Worte gut und böse eine Bedeutung haben. Wo sie nicht entwertet und nicht vertauscht werden.

Sein eindringliches Resümee bewegte den Saal:
„Ein Held – das ist derjenige, der dem die Stirn bietet, der stärker ist als er. (…) Weil ihn der Glaube an das Unmögliche trägt.
Das Wort “Held” ist für uns nicht mehr pathetisch. Es ist pragmatisch geworden. Wir fordern heraus, was stärker scheint als wir. Wir gewinnen Kraft, indem wir tun, was zuvor unmöglich schien. Darum sagen wir:
Ehre der Ukraine. Ehre den Helden.
Die stehenden Ovationen am Ende machten deutlich: Es war ein Abend, der Mut machte, ohne die Härte der Realität zu verschweigen – ein Abend der Solidarität, der wachrüttelte.

Last Updated on 21. September 2025 by Lupo
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