Aufgelesen: Lupos Leseliste #20

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Während sich gegen Ende der Pfingstfeiertage das Wetter wieder anschickt, sonnig und warm zu werden, ein paar Artikel der letzten Tage, die ich erwähnens- und lesenswert finde.

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Christian Stöcker schreibt im SPIEGEL über eine laufende Desinformationskampagne des Kreml gegen die moldauische Präsidentin Maia Sandu. Russland versucht in Moldau durch Desinformation und Stimmenkauf Einfluss auf Entscheidungsprozesse des EU-Beitrittskandidaten zu nehmen.

Die russische Propagandamaschinerie hat sich verstärkt auf Maia Sandu, die proeuropäische Präsidentin der Republik Moldau, eingeschossen. In großem Stil verbreiten prorussische Netzwerke Desinformation über soziale Medien wie TikTok, Telegram und X (ehemals Twitter). Die Kampagne ist Teil eines hybriden Informationskriegs, mit dem der Kreml westliche Demokratien destabilisieren will. Sandu wird in zahlreichen, oft plumpe Fälschungen beinhaltenden Videos und Artikeln diffamiert. Die Bandbreite reicht von absurden Korruptionsvorwürfen über angeblichen Kinderhandel bis hin zu gefälschten Aussagen westlicher Institutionen. Die Inhalte bedienen sich typischer Stilmittel russischer Propaganda – gefälschte Logos, manipulierte Magazincover und KI-generierte Bilder. Ziel ist es, Vertrauen in demokratische Strukturen zu untergraben und prorussische Narrative zu etablieren.

Die Kampagne gegen Sandu ist eingebettet in größere russische Desinformationskampagnen wie „Matrjoschka“ oder „Doppelgänger“, die auch westliche Staaten wie Deutschland und Frankreich betreffen. Die EU, unabhängige Forscher und Organisationen wie Microsoft oder Newsguard bestätigen den propagandistischen Ursprung dieser Inhalte. Besonders brisant ist die zeitliche Nähe zu den anstehenden Parlamentswahlen in Moldau im Herbst 2025, bei denen erneut russische Einflussnahme befürchtet wird.

In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf das Buch Pop-Up-Propaganda von Irina Rastorgueva, das ich hier rezensiert habe.

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In der New York Times macht sich Steven Levitsky Sorgen um die amerikanische Demokratie und warnt eindringlich vor der schleichenden Aushöhlung der Demokratie in den USA unter Donald Trump. Autoritäre Systeme des 21. Jahrhunderts agieren subtiler als klassische Diktaturen: Sie setzen auf die Instrumentalisierung staatlicher Institutionen, um politische Gegner zu bestrafen, anstatt auf offene Gewalt. Dieses System nennt sich kompetitiver Autoritarismus – formal finden Wahlen statt, doch durch systematische Machtmissbräuche ist das Spielfeld massiv zugunsten der Machthabenden verzerrt.

Levitsky argumentiert, dass die USA diese Grenze bereits überschritten haben. Anhand zahlreicher Beispiele schildert er, wie die Trump-Regierung Justiz, Steuerbehörden und Aufsichtsbehörden gegen Kritiker einsetzt. Medienhäuser, Universitäten, Großkanzleien und sogar Parteifreunde werden unter Druck gesetzt – etwa durch Klagen, Ermittlungen, Budgetkürzungen oder Drohungen.

Besonders alarmierend ist der wachsende Preis für Opposition: Juristische Risiken, Reputationsverluste, wirtschaftliche Nachteile oder sogar Gewaltandrohungen. Diese Dynamik führt zu Selbstzensur und Rückzug gesellschaftlicher Akteure – von Universitäten bis hin zu etablierten Medien und Politikern.

Levitsky ruft eindringlich dazu auf, sich dieser Entwicklung gemeinsam entgegenzustellen. Nur durch kollektives Handeln könne man dem autoritären Kurs wirksam entgegentreten. Es gebe zwar ermutigende Zeichen des Widerstands – etwa durch einzelne Universitäten, Kanzleien oder Bürgerbewegungen – doch ein breites gesellschaftliches Bündnis sei notwendig, um die Demokratie in den USA zu verteidigen. Die zentrale Botschaft: Autokratie kann nur besiegt werden, wenn man aktiv wird – nicht von der Seitenlinie aus.

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Die taz berichtet über die Kyiver Buchmesse in der “Normalität des Krieges”. Trotz – oder gerade wegen – des russischen Angriffskriegs erlebt die Ukraine eine neue Blüte der Literatur. Das Bedürfnis nach Büchern wächst. In Kyjiw sind beliebte Buchcafés wie Sens oder Syaivo Knyhy, der älteste erhaltene Buchladen der Stadt, gut besucht. Die Menschen suchen nicht nur Ablenkung, sondern auch geistige Stärkung – und finden sie insbesondere in der Lyrik.

“Weitermachen. Widerstandsgeist demonstrieren. Diese Zeichen gehen auch vom Festival Book Arsenal aus. Zum dritten Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs findet die wichtigste ukrainische Buchmesse nun wieder statt, vier Tage lang. Am Donnerstag jener Woche ist in den Hallen des Kulturkomplexes Mystezkyj Arsenal („Kunstarsenal“) Eröffnung.”

Der Krieg trifft die ukrainische Kulturszene ins Mark – nicht nur ideell, sondern auch materiell. „Wir stehen einem aggressiven Feind gegenüber, der unsere Identität auslöschen will – unsere Kultur, unsere Geschichte“, warnt Kozlovets. Im Mai 2024 zerstörte ein russischer Angriff die Druckerei Factor Druk in Charkiw, eine der größten des Landes. Bereits im Februar 2025 wurde auch die Druckerei des renommierten Ranok Publishing House schwer beschädigt. In beiden Fällen konnte die Produktion rasch wieder aufgenommen werden – ein Zeichen von Widerstandskraft.

Doch der kulturelle Schaden ist enorm: Laut PEN Ukraine wurden im Krieg bislang über 700 Bibliotheken beschädigt oder völlig zerstört. Die Literatur trotzt dem Krieg – und wird zugleich selbst zur Waffe des kulturellen Überlebens.



Posted from Mainz, Altstadt, Deutschland.

Last Updated on 9. June 2025 by Lupo


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