Lost in Delay

Lesedauer 3 Minuten

In dieser Woche feierte man in der Ukraine den ersten Zug, den die staatliche Eisenbahngesellschaft Ukrzaliznytsia nur eine Woche nach der erfolgreichen Befreiung der Stadt Kherson auf den Weg von Kyiv nach Kherson schickte und der dort auch wie vorgesehen eintraf. Irgendwann vor dem Krieg habe ich mit Schrecken die Ankündigung gelesen, dass ausgerechnet die Deutsche Bahn plane, den Eisenbahnern vom Dnipro mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und man ein umfangreiches Consulting-Programm anzuschieben plane. Offenbar ist es dazu nicht gekommen. Und das ist auch gut so, denn angesichts der aktuellen Performance der deutschen Bahn auf der Schiene könnte eher diese Hilfe von ihren krisenerprobten Kollegen gebrauchen.

How it started

Ich hatte die naive Idee, kurzfristig doch noch am späten Abend die Rückreise von Karlsruhe nach Mainz anzutreten. Nachdem die Anreise bereits sehr holprig war, wurde die Rückfahrt dann zum GAU. Der “Notarzteinsatz am Gleis” ist bekanntlich der Knock-Out für jeden Bahn-Pendler. Geschlagene 110 Minuten Verspätung waren angefallen, bis der ICE aus Basel noch eintraf. Mittlerweile war offenbar auch die Computer generierte Ansagestimme eingeschlafen, denn in Karlsruhe war es ab 23.00 still geworden. Der Anschluss fuhr letztlich nicht, weil eine “Reparatur am Zug” erforderlich geworden war, teilte der Bahn-Navigator mit. Alternative war, mit dem mordsverspäteten ICE nach Frankfurt weiter zu fahren und von dort gegen 2.00 eine derjenigen S-Bahnen vielleicht zu erreichen, die nicht wegen “kurzfristigem Personalmangel” ausfällt. Hinzu kommt ja noch das angeblich seit mehr als acht Wochen defekte Stellwerk in Mainz-Bischofsheim. Eine Alternative hätte noch mit einer S-Bahn ins pfälzische Germersheim bestanden, von dort mit einer weiteren S-Bahn nach Ludwigshafen. Theoretisch hätte es von dort mit der S-Bahn nach Mainz weitergehen können – aber: “Zug fällt aus”.

How it ended.

Entnervt bin ich letztlich in Mannheim wieder ausgestiegen. Nach 110 Minuten Warterei am Bahnsteig in der Kälte, 20 Minuten Zugfahrt und ungewissem Anschluss, entschied ich mich dann doch für eine Hotelübernachtung. Der Vielreisende verfügt ja über ein breites Portfolio an Hotel-Loyality-Programmen und bis Jahres Ende hatte ich eh noch eine ungenutzte fünfstellige Punktezahl bei Hilton Honours, die gerade richtig kamen. Demnach endete die spontane Reise erstmal im Hilton Garden Inn in Mannheim.

Am nächsten Morgen, gestärkt mit einem heißen Filterkaffee spazierte ich ohne größere Erwartungen wieder zurück zum Brennpunkt Bahnhof, um den letzten Teil der Reise anzutreten. Dort stand der RegionalExpress, der eigentlich schon vor 10 Minuten hätte abfahren sollen. Verzweifelt versuchte der Lokführer, die ausgefahrene Türschwelle wieder in die Ausgangsposition zu schieben. Man darf also gespannt bleiben, ob wir Mainz wirklich noch in dieser Woche erreichen.

Die Strecke von Kyiv nach Kherson beträgt übrigens etwa 500 Kilometer.

Last Updated on 21. November 2022 by Lupo


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