Anfang des Jahres geriet die ehemalige Sowjetrepublik Kasachstan in den Fokus der Weltöffentlichkeit, als dort Unruhen und Aufstände ausbrachen. Regierungsgebäude gerieten in Brand, es kam zu massiven Zusammenstößen mit den Sicherheitsbehörden, annähernd 200 Tote waren zu beklagen. Nur mit Hilfe der Verbündeten aus der “Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit” (OVKS) gelang es, die öffentliche Ordnung wiederherzustellen, zum Teil mit massiver Gewalt, gegen Demonstranten wurde ein Schießbefehl erteilt. Moskau entsandte Truppen, ebenso kamen Belarus und Armenien zur Hilfe.
Allerdings signalisierte der amtierende Präsident Kassym-Schomart Tokajew schon Anfang Januar, über politische Reformen für die ehemalige Sowjetrepublik sprechen zu wollen. Tokajew ist erst der zweite Präsident des Landes, er folgte auf Langzeitpräsident Nursultan Nasarbajew. Nasarbajew, nach dem die Hauptstadt Astana umbenannt wurde, war auch Zielscheibe des Protests im Januar. In Almaty wurde seine Statue gestürzt, populär wurde der Schlachtruf “Schal, ket!” – “alter Mann geh weg”.
Am 05. Juni nun stimmen die Bürger des neuntgrößten Landes der Erde über eine Reform der Verfassung ab, die der amtierende Präsident Tokajew im März vorgestellt hat. Die Reform sieht 33 Änderungsvorschläge an der Verfassung vor. Im Wesentlichen soll es darum gehen, Macht und Einfluss des Präsidenten und seiner Verwandten zu begrenzen, der Präsident darf keiner Partei mehr angehören, er und seine Verwandten dürfen keine Führungspositionen in Staatsunternehmen mehr einnehmen. Die Amtszeiten des Präsidenten sollen begrenzt werden, die Nasarbajew verleihenden Termini “Erster Präsident” und “Jelbassy” sollen gestrichen werden. Das Unterhaus soll nunmehr anstelle des Senats Gesetze beschließen dürfen, die Befugnis des Präsidenten, Mitglieder des Senats und des obersten Gerichtshofes zu benennen, soll begrenzt werden. Auch das Wahlrecht zum Parlament wird geändert, vorgesehen ist eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahl.
Auch die Bürgerrechte sollen gestärkt werden, ein Verfassungsgerichtshof wird eingerichtet, die Todesstrafe gesetzlich abgeschafft. Zudem soll ein Menschenrechtsbeauftragter mit weitreichenden verfassungsrechtlich abgesicherten Befugnissen und Immunität installiert werden.
Kasachstan scheint sich vom Staatsgründer und Langzeitpräsidenten Nasarbajew immer weiter zu emanzipieren. Nasarbajew war nach Zusammenbruch der Sowjetunion zum Präsident des Landes gewählt worden. Als langjähriger Chef der Kommunistischen Partei Kasachstan in der Ära der Sowjetunion galt er als gut vernetzt und mit dem Kreml vertraut. Seit Beginn des russischen Überfalls ist man indes auch in Kasachstan langsam auf Distanz zu Moskau gegangen. Die sogenannten Volksrepubliken im Osten der Ukraine hat Kasachstan nicht erkannt und militärische Hilfe leistet das Land den Russen auch nicht.
Das Land teilt eine tausende Kilometer lange Grenze mit Russland und hat eine starke russische Minderheit vorwiegend im Norden des Landes.
Last Updated on 5. June 2022 by Lupo
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