Aufgelesen: Lupos Leseliste #18

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Seit dem 06. August 2024 halten ukrainische Truppen nun Teile des russischen Gebiets Kursk besetzt und rücken sogar weiter vor. Für Putin ein weiteres Desaster, das Russlands Schwäche schonungslos offenbart. Der ersten Invasion fremder Truppen auf ihrem Staatsgebiet seit dem 2. Weltkrieg hat die Atomsupermacht nichts entgegenzusetzen. Es offenbart aber auch die Politik Wladimir Putins, der sich wie ein “feigen Hochstapler” in der aktuellen politischen Situation in Russland durch taktische Täuschung und Machterhaltungsstrategien auszeichnet, schreibt der ehemalige russische Diplomat Boris Bondarew auf n-tv. Schon nach dem gescheiterten Aufstand der Wagner-Gruppe unter Jewgeni Prigoschin hatte Putin nicht mit Entschlossenheit, sondern mit Unsicherheit reagiert, was seine Schwäche offenlegte. Statt Stärke zu demonstrieren, versucht er, durch scheinbare Zugeständnisse und verdeckte Maßnahmen seine Macht zu sichern. Dies verdeutlicht die zunehmende Instabilität seiner Herrschaft und die wachsenden Zweifel an seiner Führungsstärke.

Was das alles bedeutet? Putin ist bei ernsthafter Bedrohung ratlos und weiß nicht, was er tun soll. Er verhält sich noch nicht einmal wie eine in die Enge getriebene Ratte, die bereit ist, sich mit aller Kraft zu wehren, sondern wie ein feiger Hochstapler, der bisher mit allem – seinen Lügen und seiner brachialen Rhetorik – davongekommen ist und keinerlei Angst vor Strafe hat. Wie im Falle Prigoschins sieht Putin aber nun, dass er nicht mehr gefürchtet wird. Er ist plötzlich schwach und beginnt zu überlegen, wie er der kommenden Vergeltung entgehen kann – und all sein Eifer und sein Gezeter verschwinden.

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Bernd Rother widmet sich im IPG-Journal dem allgegenwärtigen Rekurs auf die Ostpolitik Willy Brandts, mit der Russland besänftigt und als Partner einer europäischen Sicherheitsordnung gewonnen werden soll

Rother arbeitet indes heraus, dass eine Rückbesinnung auf die Ostpolitik der 1960er und 1970er Jahre in der heutigen Zeit fehl am Platz ist. Die damalige Ostpolitik war spezifisch für die damalige geopolitische Lage entworfen und basierte auf der Anerkennung bestehender Realitäten, um eine friedliche Koexistenz zu ermöglichen. Heute jedoch sind die Umstände grundlegend anders, insbesondere durch das aggressive Verhalten Russlands unter Putin.

Heute auf die Ostpolitik der 1960er und 1970er Jahre zurückzugreifen, wäre nicht im Sinne von Willy Brandt. Sie war ein zeitgebundenes, durchdachtes, konsistentes Projekt, mit dem aufeinander abgestimmt die Beziehungen zur Sowjetunion, zu Polen, zur DDR und zur Tschechoslowakei entspannt werden sollten. Dieses Projekt fand 1989/91 sein Ende, als sein Objekt, der Ostblock, verschwand. Stattdessen bedarf es heute gänzlich neuer Ansätze, die gegenüber Russland und Belarus anders ausfallen müssen als gegenüber Polen und dem Baltikum.

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In der FAZ portraitiert Friedrich Schmidt den russischen Strafverteidiger Leonid Solowjow, der letzte Anwalt von Alexej Nawalnyj. Solowjow spricht über seine Arbeit als Verteidiger in russischen Strafjustiz.

Beweise sammeln, Leute befragen, mit Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern sprechen: So umreißt Solowjow seine Möglichkeiten. Doch insbesondere in politischen Fällen bleiben sie oft theoretisch. Hier sei es vielen Mandanten wichtig, im Prozess „ihre Wahrheit zu zeigen“, sagt Solowjow, „um nicht auszusehen wie jemand, der sich ergeben hat, sondern wie einer, der dieses Schicksal auf sich nimmt“.

Der Ausgang der Verfahren steht meist schon vorher fest.

Solowjow hat beobachtet, dass früher politischer Druck auf Ermittler, Staatsanwälte und Richter ausgeübt wurde, wenn es um bestimmte Organisationen oder Leute ging, etwa im Umfeld des Antikorruptionskämpfers Nawalnyj. Seit dem Überfall auf die Ukraine von 2022 sei dieser Druck gar nicht mehr nötig: Jetzt verstünden die Systemvertreter von selbst, wie sie bei bestimmten Straftatbeständen zu entscheiden hätten, berichtet der Anwalt. Doch manchmal könne er etwas erfahren oder informelle Absprachen treffen, die teils eingehalten würden.

Der Strafverteidiger vertritt auch Ukrainer, die sich in den Händen der russischen Justiz befinden, den Menschenrechtler Maxim Butkewitsch, der zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde. Solowjow nennt aus Schutzgründen nur wenige Namen seiner Mandanten, da öffentliche Aufmerksamkeit ihnen schaden könnte. Früher war Öffentlichkeit eine Hoffnung für politische Gefangene, wie im Fall des Journalisten Iwan Golunow, der 2019 durch öffentliche Empörung freikam. Seit dem Überfall auf die Ukraine hat sich das jedoch geändert, und harte Strafen werden nun ohne Rücksicht auf die Öffentlichkeit verhängt.

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Dem Gastbeitrag von Oleksii Makeiev, zusammen mit den Bundestagsabgeordneten Michael Roth (SPD), Norbert Röttgen (CDU), Toni Hofreiter (Grüne) und Marcus Faber (FDP) zum gestrigen Unabhängigkeitstag der Ukraine habe ich einen eigenen Post gewidmet.

Am kommenden Sonntag findet in Köln am Schokoladenmuseum der 3. Ukraine-Tag statt. Das sollte man sich nicht entgehen lassen.



Posted from Mainz, Altstadt, Deutschland.

Last Updated on 25. August 2024 by Lupo


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