Die Stadt München hat das Engagement ihres Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker, Valery Gergiev, beendet. Vorausgegangen war eine Aufforderung des Oberbürgermeisters der bayerischen Landeshauptstadt München, Dieter Reiter, der Dirigent möge sich vom russischen Überfall auf die Ukraine distanzieren. Die ihm gesetzte Frist ließ der Musiker verstreichen, hierauf erfolgte die Kündigung. Gergiev gilt als Freund Putins, im Jahre 2014 hatte er einen Aufruf zur Annexion der Krim unterzeichnet und sich damit klar zu Putin bekannt.
München folgte mit seiner Kündigung dem Beispiel der Oper Mailands, die ebenfalls das Engagement mit Gergiev beendet hatte. Auch sein Gastauftritt in New York ist storniert worden. Auch das Engagement für Anna Netrebko wurde in München storniert, die Sängerin hat zwischenzeitlich von sich aus alle Auftritt für die nächsten Monate abgesagt. Auch Netrebko, die ihren 50. Geburtstag im Kreml feierte, wird eine Nähe zu Putin nachgesagt.
Die NZZ hat das Vorgehen indes kritisiert. Es komme einer Gesinnungsprüfung gleich, wenn sich Kulturschaffende erklären müßten, auf wessen Seite sie stünden. Das in der DDR gehandhabte Prinzip “Sag mir wo du stehst” könne man in einer Diktatur handhaben, in dem man öffentliche Treueschwüre verlange. In einer liberalen Demokratie gelten indes andere Maßstäbe.
So einfach ist es indes nicht. Zunächst: Gegen Gergiev und Netrebko wurde von niemandem ein Berufsverbot verhängt. Sie dürfen weiterhin auftreten, wenn sie denn jemand hören will. Auch müssen sie sich keiner Befragung stellen, denn sie haben sich – so im Falle Gergiev mit seiner Unterschrift unter den Aufruf zur Annexion der Krim – politisch öffentlich mitgeteilt und aus ihrer politischen Haltung keinen Hehl gemacht. Insoweit ist es ihre Einstellung auch keine Privatsache mehr. Wenn Anna Netrebko Politik als ihre Privatsache betrachten möchte, dann sollte sie ihre Geburtstagsfeiern auch nicht presseöffentlich im politischen Machtzentrum Russlands abhalten. Es geht also auch nicht, wie die NZZ suggeriert, um eine intime Befragung höchstpersönlicher Positionierungen, zu der sie sich erklären müßten. Wer sich in der Öffentlichkeit als öffentliche Person auf Putins Seite stellt, den darf man auch jetzt mit Putins Politik konfrontieren und fragen, ob er die Katastrophe in der Ukraine unterstützt.
Im Falle Gergievs kommt aber noch ein ganz entscheidender Faktor hinzu. Er dirigiert die Münchner Philharmoniker, die kulturelle Visitenkarte der Stadt München. Dazu gehört aber auch, dass die Stadt München eine aktive Städtepartnerschaft mit der Hauptstadt der Ukraine, Kyiv, unterhält. Das wußte Gergiev auch, als er seinen Vertrag in München unterschrieben hat. Insofern darf man berechtigte Belange der Stadt München unterstellen, ein Engagement mit einer Person zu beenden, welche sich öffentlich zu dem Aggressor bekennt, der die Partnerstadt gerade in Schutt und Asche bombt.
Das alles ist keine Gesinnungsprüfung und auch keine Gesinnungsschnüffelei.
Auch in einer liberalen Demokratie darf und muß man Haltung zeigen, wenn es um die Verteidigung der eigenen Werte geht.
Der Stadt München muss man indes vorhalten, den Dirigenten nicht gleich 2014 rausgeworfen zu haben, als er die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Krim befürwortet hat.
Last Updated on 24. April 2022 by Lupo
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