Aufgelesen: Lupos Lesewoche #8

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Die “Presseschau des Wahnsinns”: Die NZZ blickt monatlich auf die Vorgänge in Russland, “einem Land zwischen Franz Kafka und George Orwell”, und fasst das Geschehen dort zusammen. Während im Februar noch das “Interview” zwischen Tucker Carlson und Wladimir Putin propagandistisch ausgeschlachtet wurde, das angeblich so erfolgreich war, dass der Westen Alexej Navalny ermorden mußte, wurde es schlagartig ruhig als Carlson Ende des Monats erklärte, die Denazifizierung der Ukraine sei “ddas Dümmste, was er jemals gehört habe”. Verhaltenstipps, wie man die Beerdigung des verstorbenen Navalny besuchen kann, ohne verhaftet zu werden, erinnert die Autorin Irina Rastorgujewa an die Zustände in der UdSSR:

Wie sind wir dorthin gekommen, wo wir jetzt stehen? Es war kein weiter Weg. Von Juri Andropow, dem ehemaligen Vorsitzenden des Komitees für Staatssicherheit (KGB), der das Land bis 1984 führte, bis zu Wladimir Putin, einem Vertreter der gleichen Struktur (FSB), dauerte es nur 15 Jahre, nicht einmal eine Generation. Das Land ist im Grossen und Ganzen dasselbe Völkergefängnis geblieben, auch wenn es weniger Völker gibt, die Kerkermeister blieben dieselben wie während der UdSSR 

Irina Rastorgujewa, Für Trauerblumen gibt es Prügel: Am Tag von Nawalnys Beerdigung bewunderte das russische Staatsfernsehen den Präsidenten, NZZ

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Neues aus der russischen Luftfahrt: Der Industriezweig, der mit am härtesten unter den westlichen Sanktionen leidet, darbt weiter vor sich hin. Die groß angekündigten Pläne neuer russischer Flugzeugmodelle, welche die westlichen Flieger von Airbus und Boeing ersetzen sollen, geraten ins Wanken: Bis 2020 sollte es tausend russische Flieger geben – Gut anderthalb Jahre nach Verkündung des großartigen Plans aber muss man konstatieren: Der Plan ist längst von der Realität überrollt worden, denn kein einziges Projekt liegt auch nur annähernd im Soll.

Insgesamt sollen in Irkutsk zwölf halbfertige MS-21 auf russifizierte Komponenten warten. “Wir möchten sie so schnell wie möglich fertigstellen, aber ich kann jetzt nicht sagen, wann das sein wird”, gab Rostec-Boss Tschemesow in bemerkenswerter Offenheit zu Protokoll. Schließlich stehe die Sicherheit des neuen Musters kompromisslos an erster Stelle: “Wir alle werden damit fliegen”, unterstrich er.

Russlands Flugzeugbau kommt nicht in die Spur

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Er hat früh gewarnt – und wurde nicht gehört. Die Rede ist vom russischen Schriftsteller Wladimir Sorokin. Sein berühmtester Roman, “Der Tag des Opritschniks”, hat den Status einer literarischen Prophezeiung erlangt. Die NZZ führt ein Gespräch mit ihm über die Lage in Russland und über den Krieg in der Ukraine. Seine Romane sind “Vorlagen für die Wirklichkeit”. Wäre er in der Schweiz geboren, sagt der Autor, “ich hätte etwas erfinden, Kriminalchroniken lesen und harte Drogen nehmen müssen. In Russland genügt es, auf die Strasse zu gehen, um in die metaphysischen Abgründe einzutauchen.”

Ihr Roman «Der Tag des Opritschniks» von 2006 wird von der Literaturkritik fast wie eine Prophezeiung behandelt: Sie hätten den Schrecken des Putin-Regimes vorweggenommen. – Das sagen nun viele. Als der Roman herauskam, meinten die meisten hingegen, das sei nur meine Phantasie. In einer deutschen Zeitung schrieb ein Journalist, der Roman sei wohl im Zustand eines schweren Katers geschrieben worden. Als die Jahre allmählich vergingen, kamen immer mehr russische Stimmen, die sagten: Eigentlich entwickelt sich unser Leben immer mehr wie in diesem Buch. Russland schottet sich ab, Zensur und Gewalt nehmen zu, die Geheimpolizei durchdringt die Macht. Als Schriftsteller bin ich glücklich, aber als russischer Bürger bin ich traurig.

Die Leiche der Sowjetunion ist zum Leben erwacht und erschreckt als ein Zombie die Russen und die ganze Welt, NZZ

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Olaf Scholz wollte mit einem Basta die Taurus-Debatte beenden und hat nun mit dem von Russland postwendend geleakten Telefonkonferenz mehrerer Bundeswehr-Offiziere einen veritablen Skandal am Hals. Die Debatte in Deutschland ist ein Desaster. Russland gelingt es wieder, zu spalten, kommentiert die FAZ

Doch noch immer gelingt es dem Kreml, den Westen davon abzuschrecken, der Ukraine mit aller Macht beizustehen. Auch nutzt Moskau jede Gelegenheit, um das Lager seiner Gegner zu spalten, an der Stelle hat Pistorius recht. Dann darf man Putin aber nicht auch noch die Munition dazu liefern, wie die Bundeswehr es nun tat. Die politische Verantwortung dafür tragen der zuständige Minister und vor allem der Kanzler, der sogar schon in seiner eigenen Koalition die Lufthoheit über die Taurus-Debatte verlor, wenn er sie denn je besaß. Putin setzt den Hebel aber immer dort an, wo er die größte Wirkung hat: an der schwächsten Stelle.

Taurus-Desaster: Die Verantwortung tragen Scholz und Pistorius

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Am 09. März 1814 wurde der ukrainische Dichter Taras Schewtschenko geboren. Er gilt als Begründer der modernen ukrainischen Literatur und Bewahrer des kulturellen Erbes. Das poetische Erbe des ukrainischen Nationaldichters ist, so die FAZ in der “Frankfurter Anthologie” bereits im Jahr 2022, “eine zornige Antwort auf Unterdrückung, Gewalt und eine kollektive Entmündigung”.



Geschrieben aus Düsseldorf, Hafen, Deutschland.

Last Updated on 9. März 2024 by Lupo


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