“Ich würde die ganze Nacht traurige Musik spielen”

Lesedauer 3 Minuten

Jurij Andruchowytsch spricht im Kölnischen Kunstverein über sein neues Buch “Radio Nacht” und den Krieg in seinem Heimatland.

Gestern hatte ich noch über die Nominierung für den Heinrich-Heine-Preis geschrieben, heute konnte ich Jurij Andruchowytsch live in Köln sehen und hören. Der Autor ist derzeit auf Lesereise und trommelt für sein neues Buch “Radio Nacht”, das vor wenigen Wochen im Suhrkamp Verlag auf deutsch erschienen ist. Zwar ist er auch auf der zu Ende gegangenen Buchmesse in Frankfurt aufgetreten, doch die Events dort sind dann doch sehr überlaufen. Im Haus des Kölnischen Kunstvereins “Die Brücke” war es dann doch etwas beschaulicher, aber gleichwohl gut besucht.

Eingerahmt in volkstypische Musik aus der Ukraine von Mariana Sadovska sprach Andruchowytsch mit dem WDR-Journalisten Uli Hufen über sein Buch und die aktuelle Situation im Land. Darüber müsse er sprechen, so Andruchowytsch, er nehme als Beobachter auch eine andere Rolle ein als die offiziellen Stellen. Es sei ihm auch wichtig über den Krieg in seinem Land zu sprechen.

Jurij Andruchowytsch im Gespräch mit Uli Hufen

Anders als beispielsweise Serhij Zhadan, der während des Krieges sagt, dass er ihm keine Zeit zum Schreiben biete, er die Worte für diesen Krieg noch finden müsse, hat Andruchowytsch wieder zum Schreiben zurückgefunden. Der Tag der russischen Invasion am 24. Februar sei auch für ihn ein Schock gewesen, berichtet er. Zwar sei er “vorbereitet” gewesen, seit November habe es schon zu viele Zeichen gegeben, die nur darauf schließen ließen, dass Russland diese Invasion durchführen werde, gleichwohl habe er noch immer den schwarzen Rauch vor Augen, der am ersten Tag von seinem Fenster aus zu sehen gewesen war. Der Flughafen seiner Heimatstadt Ivano-Frankivsk (dem früheren Stanislaus) wurde gleich am ersten Tag zerstört. Dann habe es eine ganze Reihe von Anfragen verschiedenster Medien aus aller Welt gegeben und diese Welle habe ihm zunächst keine Zeit zum Schreiben gelassen. Die ersten Anfragen gleich nach Beginn der Invasionen kamen übrigens aus Taiwan, berichtet Andruchowytsch. Als die Medienanfragen dann weniger wurden, habe er wieder Zeit zum Schreiben gefunden.

Auf sein aktuelles Buch “Radio Nacht” angesprochen, erzählt Andruchowytsch wie der Impuls dazu kam: Nach der orangenen Revolution 2004 sei er mit ukrainischen Schriftstellerkollegen auf Lesereise in Polen gewesen. In einem Gespräch mit einem Studenten-Radio an der Universität in Warschau hatte ihn der Moderator gefragt, was er denn tun würde, wenn er nicht mehr literarisch tätig sein könne. Daraufhin habe er spontan geantwortet, er würde Radio machen. Er würde ein Nacht-Radio machen und die ganze Nacht traurige Musik spielen. Die Nacht sei genau richtig für traurige Musik. Damit war die Idee für sein neues Buch geboren.

Angesprochen darauf, ob es Parallelen zwischen seinem Protagonisten Josip Rotsky und ihm selbst gäbe, antwortete er schlagfertig: Ja, der Protoganist sei auch ein Künstler, Musiker, es sei eine Figur die ihn gefalle. Josip Rotsky, der Name klingt sprachlich an Josef Roth und Josip Brodsky an, sei ein Künstler, Bohemien, immer kalt und ironisch. Aber, so versichert Andruchowytsch, im Gegensatz zu seinem Protagonist im Buch sei er nie Pornodarsteller gewesen

Last Updated on 27. November 2023 by Lupo


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