Der erste Advent steht bevor, es nieselt draußen bei knapp sieben Grad. Gelegenheit, ein paar Buchstaben zu sich zunehmen.
Die Ausbeute beim heutigen Besuch in der Buchhandlung meines Vertrauens:
“Ein Aquarium voller Schlüssel” ist mir schon vor ein paar Wochen auf dem Internationalen Literaturfest in Berlin begegnet. Yuriy Gurzhy hat auf der Bühne am Ukraine-Abend über sein Buch gesprochen. Gestern hat die FAZ ihm eine Rezension gewidmet. „Ein Aquarium voller Schlüssel“ ist eine Hommage an die Stadt Charkiw, mit Hilfe der atmosphärischen Schwarzweiß-Fotografien seines Vaters Alexander Gurzhy – von den stillen, sowjetischen Jahrzehnten bis zur Gegenwart im Krieg. Kindheitsbilder, Anekdoten über Charkiwer Kultur und kuriose Begegnungen auf Reisen in die Frontstadt verweben sich mit den Spuren der Zerstörung, etwa der zerstörten Hemingway-Bar „Der alte Hem“ und der beschädigten Synagoge.
**
Eher zufällig ist mir der Reportageband “Die Rückseite des Krieges” von Andrij Ljubka in die Hände gefallen. Gerade in der Buchhandlung eingetroffen, noch gar nicht einsortiert – gleich zugegriffen. Ljubka stammt aus Transkarpatien in der Westukraine und hat in Ushgorod studiert, wo er bis heute lebt und von wo er auch schreibt. Die “Rückseite des Krieges” ist eine Sammlung literarischer Reportagen über den russisch-ukrainischen Krieg, in der der Autor persönliche Erlebnisse als Freiwilliger mit Begegnungen an der Front und im Hinterland vermischt. Zuvor hat er bereits einen Essayband “Der Krieg aus der Perspektive des Hinterlandes” veröffentlicht – wie der Band “Ukrainische Literaturgeschichte” von Ulrich Schmid zu berichten weiß. Marko Martin schreibt für den Deutschlandfunk über den Band: “Bleibt zu hoffen, dass ihre Stimmen durchdringen: „Dreißig Jahre Unabhängigkeit haben eine neue Generation von Ukrainern hervorgebracht, die bereits in einem freien Land geboren ist und sich kein anderes Schicksal vorstellen kann. Diese frei geborenen Menschen – heute Offiziere und gewöhnliche Soldaten – kämpfen für ihren Staat als etwas Eigenes. Nicht einmal für das Heimatland aus den Volksliedern, sondern für ihr privates Eigentum – ihre Ukraine. Sie kämpfen, und leider sterben sie auch.“
***
Das Buch “Traumland” von Adam Soboczynski ist schon ein wenig älter, es erschien 2023. Traumland ist eine Biographie und zugleich eine Erzählung über West und Ost. Soboczynski schildert ein „Traumland“ der Vergangenheit, das von heutiger Befangenheit und Verunsicherung abgelöst worden ist. Die Grundstimmung ist eher nostalgisch: Der Autor trauert einer freieren, optimistischeren Epoche nach, ohne sie unkritisch zu verklären. “Diese ”beste aller möglichen Welten’ zu wenig wertgeschätzt haben, das wirft Soboczynski sich, uns, dem Westen vor”, schrieb Jörg Thomann seinerzeit in der FAZ.






Schreibe einen Kommentar