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Minus sieben Grad hat es heute morgen, es liegt ein wenig Schnee auf dem gefrorenen Eis und vom Hafen weht ein frischer Meereswind. Es ist kurz nach halb elf am Morgen und es dämmert schon wieder. Die Polarnacht setzt bald ein, noch ein paar Tage und dann bleibt es komplett finster. Endlich kommt das Taxi. Wir fahren zur Grenze. Von Kirkenes im äußersten Nordosten Norwegens, der Finnmark, sind es noch knapp 10 Kilometer bis zur Grenzstation. Dahinter liegt Russland. Während des kalten Krieges war es die einzige Grenze zwischen der Nato und der Sowjetunion in Europa.

Finnmark, Norwegen.

Während der Flüchtlingskrise 2015 kamen hier Flüchtlinge über die sogenannte “Eisroute” auf klapprigen Fahrrädern an, die sie in Russland kaufen mußten, weil man den Grenzübergang nicht zu Fuß überqueren kann. Die Straßenschilder auf dem Weg weisen nach Murmansk, von hier noch etwa zwei bis drei Autostunden. Der Wald gehört zur sibirischen Taiga, dem größten zusammenhängenden Waldgebiet der Erde. Auch zahlreiche Braunbären leben hier in der Region, auch gibt es einzelne Wölfe, die sich aus Russland hierher verirren.

Bis nach Murmansk

Kirkenes ist der Verwaltungssitz des norwegischen Barentssekretariats. Die Barents-Region ist ein von Norwegen initiiertes Projekt zur Zusammenarbeit der Anrainer-Staaten des Nordpolarmeers, insbesondere aber zwischen Norwegen und Russland. In der 4.500 Einwohner zählenden Gemeinde gibt es auch ein russisches Generalkonsulat. Die Straßenschilder sind zweisprachig in lateinischer und kyrillischer Schrift.

Straßenschilder sind zweisprachig

Nach dem Ende des Kalten Krieges verlor die Grenze zunehmend an Bedeutung. Für die Einwohner auf beiden Seiten der Grenze galt der Kleine Grenzverkehr, sie konnten visafrei in das jeweilige Nachbarland reisen. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 gibt es das nicht mehr.

Der einzige offizielle Grenzübergang zwischen Norwegen und Russland

Jetzt ist die Grenze faktisch geschlossen, Russen kommen so gut wie keine mehr rüber, sagt der Taxifahrer, ein Syrer. Norwegen stellt Russen keine Schengen-Visa mehr für touristische Zwecke aus, wie fast alle Schengen-Staaten mit Grenze zu Russland. Die in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Verbindungen auf beiden Seiten reissen nun ab.

An der Grenze ist folglich nichts los, kein Auto weit und breit. Norwegen unterstützt die Ukraine mit Waffen und humanitären Gütern. Am Freitag wurden weitere Hilfslieferungen angekündigt und winterfeste Kleidung für die ukrainische Armee. In der Fußgängerzone von Kirkenes stehen zwei symbolische Grenzpfähle.

Der russische Angriffskrieg ist auch 400km nördlich des Polarkreises aktuell

Ein gelber für Norwegen und ein rot-grün gestreifter mit dem russischen Wappen. Darauf wurden blau-gelbe Plakate geklebt.

“Stop War in Ukraine”.

Die Projekte des Barentssekretariats liegen auch einstweilen „auf Eis“. Die Zukunft ist ungewiss.