Belarus: Kann sich Lukaschenka noch halten?

Lesedauer 3 Minuten

+++Update (16:49 OEZ). Aktuell ist in sozialen Medien die Rede von bis zu 150.000 Menschen, die sich friedlich in Minsk versammelt haben, um für freie Wahlen und gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. +++


In Belarus stehen für heute wieder Demonstrationen an. Dabei werden auch zehntausende Demonstranten erwartet, die für Lukaschenka demonstrieren sollen. Ganz freiwillig ist das aber nicht, es soll sich um Staatsbedienstete handeln, deren Erscheinen angeordnet wurde. Auf der anderen Seite ist eine Menschenkette quer durch Belarus von Litauen bis zur Ukraine geplant. Auch dies will Lukaschenko verhindern und hat Truppen in den Westteil des Landes verlegt.

Allerdings gerät das Agieren von Lukaschenko auch zunehmend zu einem Schlingerkurs. Hatte er gestern noch angekündigt, Putin um Hilfe zu bitten, weil er nicht nur Belarus bedroht sieht und Gespräche mit dem Ausland zur Lösung des Konflikts ausgeschlossen, schreibt die russische Nachrichtenagentur RIA, die belarussiche Regierung sei „unter allen Umständen“ zu einem Dialog mit der EU bereit.


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Gwendolyn Sasse analysiert im „Hauptstadtbrief“ die Proteste in Belarus und die Herausforderungen, welche diese auch für die EU darstellen:

Darüber hinaus muss die EU sich nun aktiv daran beteiligen, auf ein Ende der Gewalt in Belarus hinzuwirken und dem neuen gesellschaftlichen Konsens einen politischen Weg zu bereiten. Eine Reaktion Russlands ist nicht auszuschließen, doch im Vergleich zur Ukraine 2014 gestaltet sich auch für Russland die Lage anders: Die starke Verbundenheit mit Russland wurde bisher von der belarussischen Gesellschaft nicht in Frage gestellt. Ein aktives Eingreifen auf der Seite Lukaschenkos birgt nun das Risiko, Russland in den Augen der Bevölkerung zu diskreditieren.

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Die russische Reaktion auf Lukaschenkas gestrigen Anruf bei Putin fällt demnach auch auffallend unterkühlt aus. Eine direkte militärische Unterstützung aus Russland scheint zumindest derzeit unwahrscheinlich. Zwar wäre es fatal, wenn Lukaschenko stürzen würde, aber auch Russland hat mit den Sanktionen aus dem Ukraine-Konflikt zu kämpfen und scheint eine weitere Eskalation zu scheuen. Auch könnte ein Eingreifen Russlands die Proteste auch noch befeuern, zudem stellen die Demonstranten die Anbindung an Russland auch nicht in Frage – im Gegensatz zum Euro-Maidan in Kiew. Belarus ist von Russland wirtschaftlich abhängig, das wissen auch die Demonstranten.

Doch auch im Kreml dürfte man sehen, dass, anders als in der Ukraine, ein Bruch mit Russland keinerlei Rolle in den Protesten in Belarus spielt. Man hört keine Parolen gegen Putin oder Russland, keine Forderungen, sowjetische Denkmäler zu schleifen (stets ein Alarmsignal für Moskau), keine Appelle für einen Beitritt zur EU.
UNTERSTÜTZUNG FÜR LUKASCHENKA?: Für Putin geht es um Schadensbegrenzung
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Richard Herzinger fordert in seinem Blog jedoch deutlichere Sanktionen der EU als bislang.

Nicht nur müsste die EU jetzt dringend scharfe Sanktionen gegen Diktator Lukaschenko und seinen Machtapparat verhängen – wesentlich schärfere als die bisher geplanten -, und der belarussischen Opposition jede nur erdenkliche Unterstützung gewähren. sondern auch Putins Russland dringend eine unmissverständliche Warnung davor zukommen lassen, die Lage in Belarus in seinem Sinne zu verschärfen und für seine aggressiven imperialen Absichten auszunutzen. 
Denn Belarus, das sind wir.
Richard Herzinger: „Belarus – das sind wir“
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Last Updated on 26. January 2024 by Lupo


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1 response

  1. […] Es ist nun schon mehr als ein Jahr her, als in den heißen Augusttagen des Corona-Jahres 2020 in Belarus im ganzen Land die Menschen zu Zehntausenden auf die Straße gingen und friedlich gegen die gefälschten Wahlen protestierten. Einige Tage lang schien es tatsächlich so, als könnten sie den „letzten Diktator Europas“ ins Wanken bringen. […]

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